Dienstag, 5. Mai 2009

  Einige Fragen von Deutschkursteilnehmern an Marcus:

 

Warum haben Sie eine Ratte als Protagonistin gewählt und was soll sie symbolisieren?

 

Sie ist kein Symbol, sie steht für sich, sie ist ein kleines Tier, eine Ratte, sonst nichts. 

 

Sie kann weder sprechen noch verstehen, was man ihr sagt, sie kann Bilder erkennen, ohne ihren Zusammenhang zu verstehen. Sie ist leicht zu zeichnen, sie ist klein und lässt der Handlung und der Geschichte Raum, stört den Verlauf der "Geschichte" (im doppelten Sinn des Wortes) nicht. Ebenso stehen die einzelnen Erscheinungen im Buch für sich, sie symbolisieren nichts anderes, sondern das, was man in ihnen liest. Eine Kinokarte steht für den Besuch des Films, ein Buch für eben dieses Buch. Es geht um Phänomene, nicht um Symbole. Auch die Auswahl der Ereignisse und Begebenheiten hat keinen Symbolwert, es gibt unendlich viele gleichwertige zeitgleiche Situationen. Der Leser wird bemerken, dass ihm etwas fehlt und andere Sachen und Ereignisse einfallen, so wird er selber zu einem Teil das Buch für sich neu formulieren. Teilweise verfolge ich den Weg der Ratte entlang von Begebenheiten oder zeitlichen Phasen, in denen sich Geschichte verdichtete, wie die Oktoberrevolution, das Berlin 1945, Paris in den 50ern, London in den 60ern, ohne entsprechende Möglichkeiten an anderen Orten negieren zu wollen, Paris oder Moskau 1945, Rom in den 50ern, Kalifornien in den 60ern usw.. 

 

Das Buch ist wie eine kurze Geschichte des letzten Jahrhunderts. Warum haben Sie die Perspektive der Ratte gewählt, um solche wichtigen Themen zu behandeln?

 

Ursprünglich war die Ratte eine Ratte, die in einem Zeichentrickfilm auf einem Skateboard durch NY fuhr, was sich aber nicht in ein Buch verwandeln liess. Das Buch ist nicht aus der Perspektive einer Ratte gezeichnet, sondern der des Erzählers. Er beobachtet den Weg der Ratte durch die Geschichte. Sie erlebt diese Geschichte, nimmt aber keinen Einfluss, versteht sie nicht. Für sie ist nichts wichtiger, sie kann die Ereignisse um sie herum nicht interpretieren oder werten. Ich gebe auch als Erzähler den einzelnen Ereignissen keine Wichtigkeit, sondern stelle bekannte Situationen neben unbekanntere. Es sind eher zeittypische Orte und Gegebenheiten, im Bewusstsein aller Unvollkommenheit, das Paris der 50er mit seinem Existenzialismus, das Swinging London der 60er, der nachklang der Hippie-Ära nach Woodstock und in den frühen 70ern, Iran und Afghanistan 1979. Als Streifzug durch die Geschichte ist es auch ein Spiel mit ihr, vor allem ein Spiel mit der unterschiedlichen Wahrnehmung von Geschichte:

als tradierte Geschichte, nur aus Quellen erfahren - das erste Buch

als medial vermittelte Geschichte, in Zeitgenossenschaft, aber an anderen Orten passiert - die erste Hälfte des 2. Buches, bis Seite 76, 1980

als selbst erlebte Geschichte. Seiten 66 - 68, ab Seite 77, ab 1980

 

Haben Sie alle Länder bereist, die in Ihrem Buch auftauchen?

 

Einige: Russland, Frankreich, USA mit NY, Berlin im 1. Teil, Wien nicht, die Bilder sind aus dem Film "Der dritte Mann" Im 2. Teil Paris, das Bergell, Rom, London, Vietnam, New England, NY, Münster, Sofia, Istanbul..., Berlin, Sardinien, Bologna, Moskau, Korea und Japan, dort u. A. Seoul und Kyoto, Hongkong, aber nicht Marokko, den Osten der Türkei, Iran, Afghanistan und Pakistan. Zum Teil gezielt für das Buch.

 

 

 

 

 

 

Sie arbeiten mit Ihren Studenten in internationalen Projekten mit so unterschiedlichen Ländern wie Südkorea, Bulgarien. Haben Sie und Ihre Schüler manchmal Kommunikationsprobleme?

 

Nein, nicht wirklich. Englisch mit den Studenten, Deutsch mit den Professoren. Die koreanischen Studenten sprechen oft schlecht englisch, wir können uns aber dennoch mit ihnen verständigen. Meine Studenten sind nur in Korea dabei. Einige sprechen etwas Koreanisch.

 

Haben Sie zurzeit ein Lieblingsland? Haben sich Ihre Vorlieben für ein Land im Laufe der Zeit verändert?

 

Ja, das verändert sich, entsprechende der Erfahrung und Reisen. Als Kind nach einer Reise nach Ibiza war es Spanien, heute sind es Italien, Frankreich, aber auch die Länder Osteuropas und die mir bekannten Länder Ostasiens. Eher sind es Städte: Bologna, Kyoto, Moskau, Sankt Petersburg, Minsk, Paris, Berlin, Leipzig, New York, Hongkong oder Regionen: die Provence, die Pfalz in Deutschland, Siebenbürgen in Rumänien, der Westen der Ukraine, Gebiete um Moskau..., ich mag viele Situationen in Ostasien, bei aller Unterschiedlichkeit in Korea, China, Japan oder Vietnam, manchmal sind es Situationen wie abends am Creek in Dubai, mit der Star Ferry in Hongkong, in einem Teelokal in Nablus in Tunesien, in der Shinjiuku Station in Tokio, im Zen-Garten in Kyoto, mit Christian Ewald im Katzengraben 14, mit Won Bok Rhie beim Aal-Essen in Seoul, mit Michael Neugebauer im Indochine 1929 in Hongkong, mit Ira Austern essen in Frankreich, mit dem Rad durch Kyoto, durch Bologna...

 

Wie inspirieren Sie sich? Benutzen Sie Fotos als Vorlage und sind die selbstgemacht ?

 

Ja, reichlich, gezielt fotografiert für das Buch in Berlin, Bologna, Moskau, Seoul, Hongkong und Kyoto, aus dem Fundus: New York, Paris, Istanbul. Fotos anderer Fotografen als Zitat, Andreas Feiniger in New York in den 40ern, Henri Cartier Bresson und Scheidegger, dazu Film-Stills wie aus Wim Wenders Der Himmel über Berlin...

 

Sind alle Bilder handgemacht oder hilft der Computer?

 

Alle mit der Hand gemacht, viele im Rechner bearbeitet, auch dort mit der Hand, alle Bilder sind digitalisiert vor dem Druck. Der Computer ist ein selbstverständliches Werkzeug, besser eine Werkzeugkiste. Die Recherche findet auch mit Hilfe des Computers statt, vielleicht 70 % aller Informationen sind aus dem Internet, Google und Wikipedia sei Dank. 

 

Wann haben Sie Ihren ersten Comic gemacht?

 

1. Teil des Buches 1987 - 1990, erschienen 1992

 

In welchen Foren haben Sie bisher Ihr Buch vorgestellt?

 

Was ist mit Forum gemeint?

 

Sie sind  Hochschullehrer für Illustrationen. Schränkt die Lehrtätigkeit Sie eher ein oder gibt sie Ihnen gute Möglichkeiten sich künstlerisch zu entfalten?

 

Die Lehrtätigkeit schränkt ein, sichert aber auch den Lebensunterhalt. Sie ermöglicht, Bücher zu zeichnen, die das Leben nicht unterhalten. 

 

Alle sprechen von der Krise- wie wirkt sich die augenblickliche Situation auf Ihre Branche aus? Finden Ihre Schüler leicht Arbeit?

 

Illustration ist nicht teuer, Bücher werden weiter produziert, wenn auch in der Krise weniger. Normalerweise rutschen Illustratoren unter solchen Krisen hindurch. Spricht nicht für ihre soziale Situation. Die Arbeitskosten sind extrem niedrig, das eingesetzte Kapital rentiert sich schnell. Das macht den Beruf einigermassen krisenfest. Aber kein Auftrag bedeutet auch kein Einkommen. Das Risiko ist sehr hoch. 

 

Meine Studenten sind alle Freiberufler nach dem Studium, viele veröffentlichen, einige schaffen es nicht.  

 

Erfolg versprechend sind Kinderbuchillustration, Sachillustration, Illustration für Schulbücher, gewerbliche Illustration und Editorial Illustration (für einige), schwer haben es Comic-Zeichner, Manga-Ka, künstlerisch ausgerichtete Illustratoren, Druckgrafiker. Durch eine Markt-gerechte, praxisorientierte Ausbildung in Münster ist die Quote derer, die damit leben können nach dem Diplom-Studiengang bei über 50 %, sehr hoch für einen künstlerischen Beruf!. 

 

Das neue Ausbildungssystem (BA, Bologna-Prozess) wird das extrem negativ ändern, die Quote derer, die berufliche Chancen unmittelbar nach dem Studium haben werden, wird bei BA-Absolventen wahrscheinlich unter 10 % liegen. Die Zeit für die Studenten, sich künstlerisch zu entwickeln, fehlt, das Studium ist verschult und zu kurz.

 

Welche Künstler und Autoren gefallen Ihnen am besten und sind  eine 

Inspiration für Sie?

 

Die Wirklichkeit die wichtigste Inspiration, nicht die Künstler.

 

Anregung für das und Zitate im Buch:

Hergé, Picasso, Hopper, Andreas Feiniger, Duke Ellington, Hemingway, Carol Reed/Graham Greene (Der dritte Mann), Scheidegger, Giacometti, Giorgio Morandi, Francis Bacon,  Max Beckmann, Lamorisse (der rote Luftballon), Sartre, Camus, Pasternak,  Fellini, Antonioni, die Beatles, Miles Davis, Coppola, John Baeder, Ralf Goings, Richard Estes, Woody Allen, Kurosawa, Wim Wenders, Mira Wunderer, Barnett Newman, Christian Ewald (Katzengrabenpresse), Christo und Jean Claude, Roberto Innocenti, Won Bok Rhie, Kim Ki Duk, Josef Beuys als Künstler zwar, als Menschen konnten wir uns nicht ausstehen, Filme wie Casablanca, Billy Wilders Foreign Affair, Platoon,... 

 

 

Gefallen ausserdem: Vermeer, Rembrandt, Velazques, Goya, Caspar Favid Friedrich, Menzel, Manet, Matisse, Charles Sheeler, Hockney, Disney, Houston, Visconti, Sica, Pasolini, Eco, einige Russen, Frisch... die Liste ist lang

 

 

Haben Sie einen spanischen Lieblingsmaler oder spielt bei den Großen ihre Nationalität sowieso keine Rolle?

 

Picasso, mein Lieblingsmaler überhaupt, Velazques und Goya, doch die Nationalität spielt bis in die späte Moderene eine grosse Rolle, Malerei ist durch den Kulturkreis bis heute geprägt, bei aller Globalisierung auch hier. Nur spielt heute Malerei in der Bildenden Kunst nicht mehr die Rolle wie noch in der Klassischen Modernen, neben sie sind viele andere Ausdrucksformen getreten. 

 

Wird Spanien auch in einem Ihrer nächsten Bücher auftauchen?

Nein

 

Welche Rolle spielen Ihre Reisen für Ihre Arbeit?

Die wichtigste

 

 

 

Ist Spanien in Ihren Büchern schon aufgetaucht?

 

Es gibt ein Buch der Katzengrabenpresse mit dem Titel Toledo von Holmar Attila Mück. Für die Vorzugsausgabe habe ich einen Stadtplan von Toledo mit der Vogelschau des Weges gezeichnet, den  Rainer Maria Rilke am 9. November 1912 zurücklegte, dem der Autor 84 Jahre später folgte. S.u.. .

 

Welche Themen haben Sie für Ihr jetziges internationales Projekt?

 

Thema ist Liebe, Hochschulen aus Münster, Jerusalem, Sofia und Seoul

 

Waren Sie schon in Madrid und was haben Sie vor bei Ihrem jetzigen Madridaufenthalt zu sehen?

 

Ich bin jetzt das 3. Mal in Madrid, gehe in den Prado und das Museum Reine Sofia, vielleicht in den Retiro Park, ich möchte nach Aranjuez. 

 

Ich war in Avila, Segovia, Toledo, dem Escorial und der Gedenkstätte der frankistischen Gefallenen des Bürgerkrieges. Ausser in und um Madrid war ich in Spanien 

in San Sebastian, auf allen 4 Balearen-Inseln und auf Gran Canaria. 

 

                          


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